23 Februar 2022

Tag 18: Brennholz

Wir alle verlieren Menschen entlang des Weges, manche verfrüht, andere zu spät. Manche sterben, andere verlassen uns auf andere Weise. Mit manchen haben wir unser Leben eng geteilt, über Jahre und Jahrzehnte hinweg. Doch wenn wieder einige Jahre ins Land gezogen sind, ist es fast so, als wären sie nie Teil unseres Lebens gewesen. Vielleicht mussten wir ihre Präsenz leugnen, um weiterleben zu können, mussten auslöschen, wer wir mit ihnen waren, um weiterzumachen und an ein neues Glück zu glauben. Vielleicht ist es am Ende auch so, dass wir mehr uns selbst verlieren, als andere und anderes. Vielleicht verlieren wir die Person, die wir an diesem Ort waren, in dieser Tätigkeit, umgeben von diesen Menschen. 

Doch wenn wir uns alle in der Wiederkehr der Jahre immer wieder aufs Neue verlieren, wenn wir andere und anderes verlieren, was bleibt dann am Ende von uns übrig? Wer sind wir, wenn wir uns stetig ändern? Was wir verlieren, und was wir waren, liegt an der Oberfläche unserer Dinge. Wir handeln so, als ob uns dies alles im Kern ausmacht, doch in unserem Kern sind alle Erinnerungen unseres Lebens fest verwoben. Nur an der Oberfläche müssen sie zeitweise in den Schatten treten, damit ein anderes Leben entstehen kann: das Leben danach. Unser Ich hält zu oft am Leiden fest, wenn das Leid längst vorüber ist. Wenn wir festhalten, leben wir nicht weiter. Also rücken wir das Leiden sanft beiseite, um in unserem Alltag fortzuschreiten, und es ist gut so. Wer immerzu leidet, lebt nicht. Nicht wirklich. Er überlebt womöglich, aber das ist auch schon alles. Und wir wurden nicht gemacht, um nur zu überleben.

Das Leben hat uns in diese Welt gebracht, damit wir vieles sehen, hören, fühlen. Damit wir es mit allen Sinnen in uns aufnehmen, auf die uns eigene Art. Wir wurden in die Mitte gestellt, um jede Facette und Schattierung zu erfassen und nicht, damit wir in den Tiefen verharren. Also liebe, und lass los. Lebe, und lass los. Wisse, dass im Kern dessen, was Dich ausmacht, alles sicher verwahrt ist. Und eines Tages wirst Du allem, was Du je geliebt hast, wieder begegnen: ohne Leid, ohne Schmerz, nur in geteilter Freude über ein gelungenes Leben. 

Es ist alles gut, sagt das Leben immerzu, und Du darfst darauf vertrauen. Du darfst vertrauen, dass Deine Seele Dich sicher durchs Leben führt. Sei dankbar im Wissen, dass nichts je wirklich verloren ist. Und lerne, zwischen Schnitzholz und Brennholz zu unterscheiden. 

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