21 Februar 2022

Tag 17: Im Feuer

Es gibt Dinge, die sind unrettbar verloren. In dem Moment, in dem wir ihrer gewahr wurden, sind sie auch schon an uns vorbeigezogen. Der Atemzug von eben, das Lächeln dieses Augenblicks. Der Trick ist daher hinzusehen. Halte die Augen offen für die flüchtige Magie des Alltags. Nicht die grossen Dinge wirst Du vermissen, wenn Du eines Tages Deinen Heimweg von dieser Erde antrittst. Sondern die kleinen, einfachen Dinge. Jeder Sonnenaufgang kann nur genau einmal betrachtet werden. Vergiss das nicht.

Die meiste Zeit unseres Lebens bringen wir damit zu, Dingen nachzujagen. Dann, wenn wir sie erreicht haben und sie scheinbar uns gehören, stellen wir verwundert fest, dass sie uns nichts sagen und nichts Wesentliches zu unserem Glück beitragen. Also lassen wir los, verlegen uns auf eine nächste Jagd und registrieren irgendwann, dass wir das Verlorene verklären und vermissen. Und so schwanken wir stetig zwischen der Nostalgie bezüglich eines alten und der Hoffnung auf ein neues Ende, aber das Skript als solches ändern wir nicht. Damit wird ein jedes Ende notwendig dem nächsten gleichen; weil wir die Alten geblieben sind. Wir lassen nicht zu, dass Neues uns wirklich berührt. Wir wollen es lediglich haben, und so schaffen wir unseren eigenen Höllenkreis.[1] Unser Feuer brennt lichterloh, und es verschwinden darin nicht nur so manche Erinnerungen, die mit sepiafarbenen Abzügen ersetzt werden. Wir selber verschwinden darin auch, und werden zu Abziehbildern unserer Selbst.

Sei Dir stets bewusst: wenn Du mit dem Feuer spielst, wird etwas brennen. Und Du wirst nicht immer bestimmen können, was im Feuer landet, Original oder Kopie. Du hast so manche Liebe darin verloren, und manche Freundschaft. Es mag sein, dass ihre Zeit ohnehin gekommen und es nie gegeben war, dass sie in Deinem Leben verweilen. Doch frage Dich: hast Du es bei der nächsten Liebe, einer weiteren Freundschaft anders gemacht? Oder wirst Du eines Tages mit demselben Loch im Herzen aufwachen und Dir sagen: das hier ist ein Gefängnis, hier muss ich raus. Die eine grosse Kunst im Leben besteht darin zu erkennen, wann man es sich zu schwer macht. Und wann zu leicht. Wenn Du dieselben Dinge auf die immer gleiche Weise tutst, nur mit einem neuen Filter versehen, wirst Du am Ende erneut Kopien in Deinen Händen halten. Nur diesmal vielleicht in Lo-Fi.

Die Dinge jedoch, die wirklich schmerzen und ein Loch in Deiner Seele hinterlassen, sind nicht die, die Du hast brennen lassen. Sondern die, die Du schlicht verlegt hast.



[1] Erich Fromm, To Have or to Be?, New York 1976

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen