01 März 2022

Tag 20: Signaturen

Du bist ist nicht allein. Vom Moment Deiner Geburt an bist Du umgeben von einer wunderbaren Welt der Menschen und der Dinge. Menschen, die Dich lieben und prägen. Wisse immer, sie tun ihr Mögliches, vor dem Horizont ihrer eigenen Prägung. Die wenigsten handeln böse, und nichts ist je persönlich. Irgendwann, wenn Du älter wirst und schon eine Zeit lang auf eigenen Füssen gelebt hast, wirst Du erkennen, wie schwierig es ist, ein gutes Leben zu führen. Wie nahezu unmöglich, nicht in den Kreislauf Deiner Ahnen zu treten, wo man einander unaufgefordert die Büchse der Pandora weitergereicht hat. Ein ungelebtes Leben ist leicht. Kein gelebtes Leben ist je einfach. Bedenke dies, bevor Du Deinen Stab über Deine Nächsten brichst – und über Dich selbst. Wenn Du Dir mit Freundlichkeit im Spiegel begegnen möchtest, triff fortan andere Entscheidungen. Unterbrich den Kreislauf der Gewalt und beginne einen Kreislauf der Liebe. Tue Du nun Dein Mögliches, in klarem Bewusstsein, was dieses Mögliche sein soll. Sähe keine Gewalt. 

Doch auch von Dingen bist Du umgeben, einem ganzen Sammelsurium der Dinge. Sie prägen Dich ebenso, deshalb achte darauf, was Du in Deinen Bannkreis lässt. Die Dinge der Natur, Musik, Bücher, Filme, Kunst, sie alle erheben Deine Seele, besonders an Tagen, die schwer auf Dir lasten. Wende Dich ab von jenen Dingen, die Deine Zeit fressen, ohne Dir einen Gegenwert zu geben. Wende Dich ab von geschwätzigen Dingen, von lauten Dingen, von bevormundenden Dingen. Sieh in die Welt ohne den Rahmen, den sie Dir verpassen wollen. Sieh in die Welt mit Deinen Augen. Es ist unendlich leicht, sich im falschen Universum zu verirren.

Wenn Du aufmerksam genug bist, wirst Du merken, wie die Menschen und die Dinge in Deinem Leben vermehrt eine Botschaft für Dich tragen. Alles, was Du brauchst, wird Dir aus dem ewigen Fluss des Lebens zugeschwemmt und Du musst nur noch zugreifen. Das Leben ist grosszügig, grossmütig. Du musst ihm nicht nachjagen: es findet Dich. Du musst Dich ihm nur öffnen, in Dankbarkeit. Dankbarkeit ist der Schlüssel, der viele Türen aufschliesst. Dankbarkeit eröffnet auch den Weg, der Dich immer näher an das Herz der Dinge und der Menschen führt. Du bist einst aufgebrochen, um den Menschen und seine Welt ihrem Wesen nach zu erkennen; jetzt näherst Du Dich Stück für Stück der Mitte des Labyrinths. Der Minotaurus, der Dich darin erwartet, ist die Botschaft, die das Labyrinth Dir aus dem Herzen der Finsternis schickt. Nimm den Faden fest in die Hand und werde bereit, Dich selbst zu erkennen. 

Folge Deiner Angst und sei unbesorgt. Der Faden wird Dich wieder ans Licht führen, wenn die Zeit dafür reif ist. Sobald Du gelernt hast, auf Taubenfüssen zu wandeln.[1] 



[1] «Die stillsten Worte sind es, welche den Sturm bringen. Gedanken, die mit Taubenfüssen kommen, lenken die Welt.» Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und für Keinen, Chemnitz 1883

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