17 Dezember 2012

Burn-Out (anno 1913)


Amtsärztliches Zeugnis für «Herr Dr. phil. Ing. Robert Musil kk.Bibliothekar Wien III»:
«Derselbe leidet an den Erscheinungen einer schweren Herzneurose: Anfälle von Herzklopfen mit jagendem Puls, Palpitationen beim Einschlafen[...] verbunden mit den entsprechenden Erscheinungen: Depressionszuständen und mit hochgradiger körperlicher und psychischer Ermüdbarkeit.» 
1913 fasste man das zusammen unter dem Begriff: «Neurasthenie»

Heinrich Kühn  Stilleben (1896)

Robert Musil ist nicht schwer krank, wird aber krankgeschrieben, damit er nicht seinen Bibliotheksdienst in der Technischen Hochschule in Wien erfüllen muss, sondern Zeit hat zu schreiben. Am 28. Juli also schreibt Dr. Pötzl ein neues Gutachten für Musil, der mit «schwerer Neurasthenie» seit einem Jahr in seiner Behandlung ist [...]. Pötzl also schreibt: «Der hohe Grad der immer noch bestehenden nervösen Erschöpfung erfordert eine weit längere, als die ursprünglich angenommene Erholungsfrist, es muss vom nervenärztlichen Standpunkt aus heute eine noch unbedingt mindestens sechs Monate dauernde Sistierung der Berufsthätigkeit für den Patienten verlangt werden.» Und so schreibt Musil unter Verweis auf das Gutachten, er bitte «um einen Urlaub in der Dauer von sechs Monaten». Die Universität schickt ihn zum Amtsarzt, und ein Dr. Blanka stellt fest: «Er leidet an allgemeiner Neurasthenie schweren Grades unter Mitbeteiligung des Herzens (Herzneurose).»
... 
Neurasthenie unter Mitbeteiligung des Herzens – schöner lässt sich das Leiden an der Moderne nicht beschreiben.
in: Florian Illies, 1913 – Der Sommer des Jahrhunderts 

Siehe auch: Eine nervöse, überdrehte Zeit, in: NZZ Literatur

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