Woraus wir gemacht sind, unsere Beschaffenheit, bleibt sich stets gleich. Die Form jedoch bestimmt das Leben. Wähle daher mit Bedacht, womit und mit wem Du Dich umgibst. Die Dinge und Menschen, auf die Du Deine Aufmerksamkeit richtest, sie prägen Dich zwingend mit.
Schau Dich um, in Deinem Heim und in Deinem Leben. Ist die Geschichte, die sie über
Dich erzählen eine, die Du gerne hören würdest, stammte sie aus fremder Feder? Umgibt Dich ein Kreis von Nächsten, der Dich ermutigt und beflügelt? Wirst Du von ihnen gebraucht und brauchst auch Du sie, um
bisweilen durch den Tag zu kommen? Manchmal ist es nur ein kleines Wort, eine
kleine Geste, die den einen Unterschied macht. Verschwende die kostbare Magie
der kleinen Dinge nicht. Kein Akt der Güte, egal wie klein, ist zur
rechten Zeit, am rechten Ort je verloren. Wenn Du jedoch Deine Kraft ans
Unwesentliche verschwendest, bleibt Dir vielleiht nicht genug, um dort noch Güte zu spenden, wo sie Blüte tragen kann.
Es gibt Menschen, die leben ihr Dasein als ewiges Drama. Du
wirst versucht sein, ihnen zu helfen, denn das ist es, was Menschen füreinander
tun. Aber diese Menschen wollen Deine Hilfe nicht, sie
wollen nur Deine Aufmerksamkeit. Sie werden auch nie eine Hilfe für Dich sein. Sie
brauchen lediglich ein Publikum, um das zu tun, was sie immer schon getan
haben: sie spielen ein Spiel. Dein Einsatz, Deine Akte sind hier fehl am Platz. Wenn Du sie darreichst wie sorgsame Perlen,
landen sie unversehens wieder achtlos vor Dir im Dreck. Du füllst Dich auf mit fremdem Drama und entlädst Dich dann im unpassenden Moment, gibst das Drama weiter, das nicht
das Deine war. Irgendwo muss es hin, muss sich entladen, und wir
Menschen neigen dazu, alles weiter zu geben, im Guten wie Schlechten. Also
suche Dir Menschen, die das Gute in Dir hegen. Damit das, was Du
weiter gibst, Hoffnung gebiert statt Elend. Besehe die Zugkräfte in Deinem
Leben und werde Dir klar darüber: manche Schwere, die sie in Deinem Herzen zeitigen,
gehört zum Wesen der Gravitation. Sie gehört nicht zu Dir.
Lass dies einsinken. Manches musst Du loslassen, damit es Dich los lässt. Tue es in Liebe und in Frieden, aber lass es nicht unerledigt. Du wirst merken, wie Liebe und Frieden Dich wieder finden im Haus, das wieder Dir gehört. Sei Dir bewusst, dass die unwillkommenen Gäste nicht ungebeten waren; einst hast Du Deine Tür sperrangelweit offen gelassen für sie.[1] Jetzt schliesst Du sie sachte und öffnest Sie nunmehr mit Bedacht. Wer mehr Gepäck mit sich bringt, als er selbst tragen kann, wer von Dir erwartet, dass Du es ihm nachträgst, soll die Schwelle zu Deinem Heiligtum nicht mehr betreten. Denn das ist Dein Zuhause, ebenso wie Dein Inneres: ein Heiligtum. Lass sie nicht mit Zwietracht die Wände Deines Heims besudeln, die Menschen, die wie schwarze Löcher sind. Du weisst sehr wohl, von welchen Menschen ich spreche: jene Menschen, die mehr Raubtieren gleichen als unseresgleichen. Du hast ein schönes Herz und Unmengen an Mitgefühl und Freundlichkeit zu teilen. Werfe sie nicht in eine fremde Abyss, in der sie unwiderbringlich verloren sind. Von dort werden sie nicht weiter getragen. Doch genau darin liegt unsere edelste Aufgabe: erfahrene Güte und Gnade weiter zu tragen an unsere Nächsten. Damit der Kreislauf der Liebe eines Tages diesen ganzen Erdball umspannt und erleuchtet. Unterbrich den Kreislauf des Hasses, von Angst, Furcht, Wut, Zorn, Missgunst, Neid und Eitelkeit. Sie haben schon zu lange all unsere Beziehungen geregelt.
Es wird nicht immer einfach sein, Dich aus den Netzen zu
lösen, in die Du Dich verstrickt hast. Manche davon hast Du selbst gewählt, in andere wurdest Du hineingeboren. Es hat eine Weile gedauert, bist Du die Regeln
erkannt hast, nach denen dieses Spiel gespielt wird. Aber jetzt siehst Du die eine Wahrheit, auf die es ankommt. Nimm sie an, und wenn Du Dir im Klaren darüber geworden bist, was Dein Anteil war in
dieser Verflechtung: lass los, lass ziehen und zieh Deine Grenze. Du musst wissen, wo Dein Einfallstor war, um keines mehr zu sein. War es die Anerkennung,
die man Dir gab für Deine klugen Worte, welche dann doch ungehört verhallten? War es
Dein Bedürfnis nach Liebe, die Du Dir selber nicht geben konntest? War
es Dein blinder Glaube an das Gute im Menschen, der Dich davon abhielt, auch die
Schattenseiten in Dir zu erkennen? Was immer es war: lass los, lass ziehen und
zieh eine Grenze.
Sei Dir bewusst, dass auf diese Weise Schicksal gewoben wird. Wenn Du Dein Geschick nicht in Einklang bringst mit Deinem Leben, durch die Form, die Du frei wählst, wird ein
anderer es in Missklang bringen. Bedenke dabei, es war David, der Goliath zu Fall brachte, nicht umgekehrt. Gegen schweres Geschütz kann man sich wappnen. Es ist das leichte Geschütz, das man nicht kommen sieht.
[1] «Es
stimmt nicht, dass das Schicksal heimlich in unser Leben tritt. Nein, das Schicksal tritt durch die Tür herein, die wir ihm öffnen, und wir bitten es, doch
näher zu treten.» Sàndor Màrai, Die Glut, Budapest 1942
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