03 Februar 2013

Epilog: Savages


Diesmal habe ich den Spiess umgedreht: vorab keine Kritiken gelesen, um vorgeprägte Erwartungen zu umgehen. Entsprechend witzig nimmt es sich rückblickend aus, die vorherrschenden Rezensentenmeinungen zu sortieren. Unter anderem bieten sich an: eine vernichtende Kritik à la Lexikon des Internationalen Films. "Ein in visueller Coolheit schwelgender, sich dabei in verbalen und erzählerischen Floskeln erschöpfender Drogen-Thriller, der mehr von der Selbstverliebtheit seines Regisseurs als von dessen früherer Meisterschaft kündet." 


Oder vorsichtig Lobendes à la ZEIT, die von "Brutaler Poesie" spricht und meint, dass der Film, wenn man ihn interpretiere, nur Bewunderung auslösen könne - "Wirbelmontagen, blitzartig aufleuchtende Einzelbilder, rätselhäfte Sequenzen symbolischer Motive", die im perfekten Metapherndualismus von Eros und Thanatos durchexerziert würden und überhaupt in Sachen Schnitt und Kamerführung zum Avanciertesten gehörten, was es derzeit im Kino zu sehen gäbe. Leider aber, so die anknüpfende Beanstandung, stelle sich ein etwas anderes Urteil ein, wenn man sich den Film konkret ansehe (also nicht nur zu interpretieren versuche): im unmittelbaren Erleben ginge die elegante Ausgangskonstruktion sogleich vergessen; sie gehe unter, verschwinde und ersaufe in Strömen von Blut, ersticke an platzendem Fleisch und spritzendem Gehirn.
Nun ja. Ich mag mich erinnern, dass es in 'Natural Born Killers' mehr von letzterem gab, und verglichen mit den sich täglich überschlagenden Horrormeldungen aus Mexiko scheint mir der Film gerade mal die Spitze eines gewalttätigen Eisbergs zu skizzieren. Entsprechend sollte man Oliver Stone nicht zum Vorwurf machen, dass er Kameralicht ins Herz des Drogenhölle-Bösen zu scheinen versucht; auf stilisierende, aber dennoch entlarvende Weise, die den filmschauenden Zaungast aus dem Kreislauf der Gewalt ehrlicherweise nicht ausnimmt (wobei er darin dankenswerterweise nicht ganz so weit geht wie Michael Hanekes gänzlich unerträgliche Gewaltstudie(n) in 'Funny Games'). Insofern würde ich mich am ehesten folgendem Verdikt anschliessen: "Hipper Drogenfilm, brutale Komödie aus der Post-Tarantino-Zeit, Reflexion über filmisches Erzählen, Drama über Figuren am Abgrund oder Kommentar zur sogenannten Generation Y: All das ist 'Savages' - fast. Die Lesarten bieten sich allesamt an, aber keine geht so ganz auf. Und so ist der Film hier der wahre 'Wilde', der sich mit einer Fülle an Ansätzen, Richtungen und Ideen nicht bändigen lässt. Doch genau das ist auch sein besonderer Reiz."
Persönliches Fazit: 'Savages' hat alles, was es braucht, um gehörig an den Nerven zu rühren - eigentlich: einen Beachboy-Schönling in der Rolle des hartgesottenen Kriegsveteranen (eine wenig glaubwürdige Besetzung, würde man vorab meinen), eine überspannt fabulierende weibliche Erzählstimme aus dem Off (zum grössten Teil ist's - seien wir ehrlich - unausgegorene Hippiekacke, die aus dem zugegeben schönen Mund kommt), eine reibungslos funktionierende Dreierkiste der Hauptprotagonisten (wie soll das, fragt man sich, über die gesamte Filmlänge in immertrauter Harmonie vonstatten gehen), John Travolta mit rundum erneuertem Facelift, und ja, eine ganze Menge an (weiteren) schauderhaften Bildern. Und doch macht das Ganze am Ende Sinn. Irgendwie. 

À propos Hippiekacke: man sollte sich in diesem Kontext keinesfalls Ian Constables erfrischend selbstironisches Musikvideo entgehen lassen.  

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